Geschichte

1968: Bau des Heizkraftwerkes

Die Entwicklung der Stadt Jena zu einem Zentrum von Wissenschaft und Technik erforderte die Ansiedlung zahlreicher Menschen in der Innenstadt sowie im Stadtumfeld. Mit dem Bau neuer Wohnsiedlungen mussten neue Überlegungen für Strom- und Wärmeversorgung angestellt werden. In diesem Zusammenhang wurde 1968 das Heizkraftwerk Jena-Süd mit seinen 240m hohen aus der Landschaft ragenden Schornsteintürmen errichtet. Die Inbetriebnahme folgte kurze Zeit später, im Jahre 1972. Während der Bauphase konnten Arbeiter und Handwerker im Hochhaus des Heizkraftwerkes, dem heutigen Verwaltungsgebäude untergebracht werden. Später wurden die Arbeiter in die neuentstandene, betriebsnahe Wohnsiedlung Winzerla und Neulobeda umgesiedelt. Der Bau des Heizkraftwerks Jena-Süd war also ausschlaggebend für die Errichtung der Großwohnsiedlung Winzerla. Die Siedlung ist in DDR-typischer Plattenbauweise entstanden und war für 14000 Einwohner vorgesehen.

1. Baugebiet (1969-1973)

Das erste Baugebiet befindet sich in Hanglage, westlich vom alten Dorf Winzerla. Im Norden wird es durch die Oßmaritzer Straße begrenzt, die südliche Grenze bildet der Trießnitzweg. Geografisch ist das Gelände folgendermaßen eingebettet: Anschließend an den südlichen Bereich befindet sich eine Wasserschutzzone. Hangaufwärts, im Südwesten liegen der Wasserhochbehälter und eine stillgelegte Kiesgrube. Westlich vom Baugebiet ist eine weitläufige freie Fläche. Entlang der Oßmaritzer Straße verläuft die 110 kV Stromtrasse. Das Gebiet ist durch ein starkes Gefälle von durchschnittlich 10 Prozent charakterisiert. Obstanbau und landwirtschaftlichen Nutzflächen im 13ha großen Baugebiet wichen der bereit 1958 geplanten Bebauung. Kritische Einsprüche der Bevölkerung bezüglich der Zerstörung der ländlichen Lage und der Verhinderung ihres Nebenerwerbs durch Obstanbau blieben erfolglos. Laut des Erläuterungsberichts der Stadt Jena war der Bau von 700 Wohneinheiten, einschließlich seiner Folgeeinrichtungen erforderlich zur Deckung des dringenden Bedarfs an Wohnraum, der sich im Zusammenhang mit der perspektivischen Entwicklung des wissenschaftlichen Gerätebaus beim Volkseigenen Betrieb (VEB) CARL ZEISS auftat.

Im Zeitraum des ersten Bauabschnitts wurden 636 Wohneinheiten verwirklicht, dabei handelte es sich größtenteils um 2,5 Zimmer Wohnungen des Typs Magdeburg. Diese befinden sich in fünf fünfgeschossigen Wohnblöcken und geben Raum für 2226 Bewohner. Inbegriffen sind neue Schul- und Kindergartenbauten sowie eine Kaufhalle, Spielflächen und intensiv bepflanzte Grünflächen.

2. Baugebiet (1981-1990)

Mit der Fertigstellung der Großwohnsiedlung Neulobeda im Jahre 1981 konnte der dringende Wohnraumbedarf noch nicht gedeckt werden. Folglich wurde ein zweites Baugebiet für den Bau von insgesamt 3650 neuen Wohneinheiten bestimmt. Das Gebiet gliedert sich räumlich in drei Abschnitte, die sich hinsichtlich ihrer etappenweisen zeitlichen Umsetzung und geringfügig auch in ihrer städtebaulichen Form unterscheiden.

Bedingt durch die geographische Lage mussten für den Bau des zweiten Abschnitts große Erdbewegungen vollzogen werden. Insgesamt wurden beinahe 90000m³ Erde bewegt. Das 30ha umfassende Gelände des ersten Bauabschnitts erstreckt sich zwischen der bereits vorhandenen Neubausiedlung des ersten Baugebiets im Süden und der heutigen Wasserachse. Die sechsgeschossigen Zeilenbauten beinhalten 2591 Wohneinheiten mit hohem Anteil an 3-4 Raum Wohnungen, eine zusätzliche Schule und Kinderkombination, Arztpraxen und weitere Handelseinrichtungen.

Die Architektur des zweiten Bauabschnitts geht auf die einst ländliche Lage Winzerlas ein. Die Höhenstaffelung der Gebäude und ihre abgewinkelte Form beziehen sich auf die Hanglage und die Biegung des Hangs. Darüber hinaus lässt die Abwinklung der Blöcke die Herausbildung von Innenhöfen zu. Diese sogenannten Wohnhöfe waren für den Autoverkehr unzugänglich und dienten, zumindest an der Südseite der Gebäude, als Mietergärten. Bis 1988 wurden im zweiten Bauabschnitt 1307 Wohneinheiten realisiert. Von den geplanten sozialen Einrichtungen konnte ausschließlich eine Kindereinrichtung verwirklicht werden.

Der dritte Bauabschnitt bildet den Abschluss nach Nordwesten. Hiermit war auch die Phase des Wohnungsneubaus in Winzerla vorerst beendet. In den sechsgeschossigen Wohnblöcken entstanden 1753 weitere Wohneinheiten. Integriert in den Wohnkomplex wurden ein Feierabend- und Pflegeheim sowie ein Schulkomplex. Der geplante Sportkomplex blieb jedoch unvollendet.

Sämtliche Baumaßnahmen wurden von den Volkseigenen Betrieben (VEB) Wohnungskombinat Gera, Landschaftsgestaltung Mühlhausen und vom Brücken- und Tiefbaukombinat durchgeführt. Die geplanten Kosten beliefen sich auf 105.760.000 Mark, davon 75,17 Millionen Mark für Wohnungen und 6,51 Millionen für gesellschaftliche Einrichtungen. 1986 wurden die tatsächlichen Kosten auf 123,3 Millionen Mark geschätzt.

Neubau von Versorgungseinrichtungen nach der Wende

Nach der politischen Wende bricht in der Großwohnsiedlung Winzerla der Massenwohnungsbau ab. Der vorhandene Wohnungsbestand erfährt eine Veränderung der Eigentumsstruktur. Wohnungsbestände der ehemaligen kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) werden von der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss und dem Wohnungsunternehmen Jenawohnen GmbH übernommen. Für Privateigentümer gibt der Wohndienst Jena einige Wohnungen frei die folglich in Form von Eigentümergemeinschaften verwaltet werden.

Der Neubau in Winzerla hängt nun nicht mehr vorwiegend mit dem Wohnungsbau zusammen. Stattdessen werden vor allem weitere Versorgungseinrichtungen geschaffen. Der Mangel an Einzelhandelseinrichtungen wurde durch den Neubau von Einkaufszentren kompensiert. Baulücken zwischen der Einheitsarchitektur der Siedlung geben den Architekten Raum zum Experimentieren. Das 1992 fertiggestellte WinCenter, ein multifunktionales Handels- und Dienstleistungszentrum auf über 6800m2, ist eines dieser Einrichtungen mit neuartigen Funktionen. In der Projektbeschreibung von 1991 steht, das Haus solle zu einem gesellschaftlichem Zentrum werden. Einzelhandel, Ärzte, Gastronomien und Flächen für Freizeit und Kultur finden Raum im WinCenter. Baulicher Höhepunkt ist das Restaurant im turmartigen Dachgeschoss. Laut dem Architekten Zänker soll die Bebauung eine Fassadengliederung erhalten, die durch Leichtigkeit Lebensfreude signalisiert. Nach dem WinCenter folgen die Bauten von zahlreichen weiteren Versorgungseinrichtungen und Einkaufszentren. Bereits ein Jahr später wurde ein weiteres Einkaufszentrum, das Columbuscenter eröffnet, das hinsichtlich seiner Funktion dem WinCenter gleicht. Später kamen weitere Einkaufsmärkte hinzu wie der Aldimarkt (1999) in der Osmaritzerstraße und der Rewe (2001) am unteren Ende der Wasserachse, inklusive ihrer Folgeeinrichtungen wie Parkhäuser oder Bankfilialen.

Bauliche Aufwertungen in Winzerla

Das von der Stadtverwaltung initiierte „Forum Winzerla“, bestehend aus Bevölkerung, Gewerbetreibenden, Ortschaftsrat, Stadtteilbüro, Planer und Stadtverwaltung erarbeitete gemeinsam das Stadtumbaukonzept Winzerla. Bereits 1999 wurde die Sanierung des Flößerbrunnens abgeschlossen. Wenig später wurden erste Pläne für eine umfangreiche Umgestaltung des Geländes rund um den Flößerbrunnen geschmiedet. Im September 2001 fand die erste öffentliche Ideenwerkstatt zur Gestaltung der Wasserachse statt. Zweck der Neugestaltung war die Definierung eines neuen identitätsstiftenden Stadtteilzentrums durch die Schaffung eines zentralen Fußgängerbereichs. 2005 wurde der zugehörige Baumsaal fertiggestellt, 2008 folgte der Bau des Stadtbalkons im südlichen Bereich. Im April 2010 wurde schließlich auch der letzte Bauabschnitt der Wasserachse, der nördlich Abschluss beendet. Heute ist die Achse ein lebendiges Areal, das sich von Ost nach West durch die Siedlung Winzerla zieht.

Das vergleichsweise großangelegte Projekt der Wasserachse ist nur eine der Maßnahmen zur umfangreichen Neugestaltung des Stadtteils. Weitere kleinere Eingriffe und auch Wohnungsneubauten tragen zum Gesamtprozess bei. Schulen werden großzügig erweitert, so erhält beispielsweise 2002 die Hölderlinschule den Anbau einer Aula mit 180 Sitzplätzen. Die Goetheschule wird 2003 mit einem Kunstrasensportfeld ausgestattet. Zusätzlich werden Wohngebiete neugebaut bzw. vorhandene Gebiete baulich aufgewertet. Am Hahnengrund wächst bis 2002 eine Siedlung mit Doppel- und Einfamilienhäusern, sowie einigen Stadtvillen und bildet damit einen starken Kontrast zur Großwohnsiedlung des DDR-Plattenbautypus. Im Rahmen der Neugestaltung rund um die Ernst-Zielinsky-Straße wurden zur baulichen Auflockerung 36 Wohneinheiten abgerissen. Die Aufwertung umfasst kleine Plätze mit Pergolen und Kinderspielplätzen. Veränderung der Wohnungsgrundrisse sowie die Einbringung von Fenstern in Küche und Bad trugen zur außerdem Erhöhung der Wohnqualität bei.

Hier finden Sie mehr über die Geschichte Winzerlas von Dietmar Schütze