Freizeitladen Winzerla: Verlierer der Bildungslandschaften?

Jena-Winzerla. Seit einigen Jahren wird in der Jenaer Jugendhilfe nach der innovativen Umsetzung des Begriffes Bildungslandschaften gesucht. Dieser Begriff meint, dass alle in einem Planungsraum befindlichen Akteure gemeinsam in Abstimmung untereinander die Verantwortung für das Heranwachsen der in diesem Stadtteil lebenden jungen Menschen übernehmen. Ziel ist es hierbei, Bildungsbenachteiligungen abzubauen und weg von einer institutionalisierten, hin zu einer ganzheitlichen Bildung zu kommen.

Prof. Lindner, FH Jena

Zur Erinnerung: Als das Jugendzentrum Nord 2007 konkret konzipiert wurde, stand dieser Begriff zum ersten Mal im Mittelpunkt der Fachdiskussion. Sogar die Stelle eines Bildungskoordinators wurde geschaffen.

Anfang 2008 wurde Prof. Dr. Lindner von der FH Jena durch das Jugendamt Jena beauftragt, eine Konzeption zu entwickeln, die das integrative Zusammenwirken von Erziehungshilfe, Schulsozialarbeit, Kinder- und Jugendarbeit und Schule für die Planungsräume Lobeda und Winzerla erarbeitet.

Dabei entstanden für die beiden Planungsräume zwei Vorschläge, wie die neue Kooperation von Schule und Jugendhilfe verortet werden könnte: Zum einen räumlich zentriert am Standort Schule, zum anderen ambulant-flexibel in unterschiedlichen Standorten im Stadtteil. Zielgruppe des „Lindnerkonzepts“ waren laut Auftrag des Jugendamtes die 10 bis 14-Jährigen und somit stand die Kooperation von Freizeitladen und Regelschule Winzerla im Mittelpunkt.

Lindner entschied sich, aufgrund der stärker zu erwartenden Synergieeffekte, in seiner Studie für die räumliche Zentrierung am Standort der Regelschule, „allerdings unter der Voraussetzung, dass die hierzu erforderlichen Rahmenbedingungen umgesetzt werden.“ (Lindner 2008)

Sollte eine Kooperation am Ort der RS Winzerla erfolgen, beträfe dies vor allem die Kinder- und Jugendarbeit, also den Freizeitladen. Um dessen sozialpädagogische Potenziale nicht zu gefährden, so empfahl Lindner den Idealzustand, dass sich die bisherige Infrastruktur des Freizeitladens (adäquate Räume, Außengelände, Materialien, Spielmöglichkeiten etc.) möglichst vollständig an der Schule wiederfinden soll.

Im weiteren Verlauf setzte sich Lindner mit den Folgen einer verorteten Kooperation auseinander: Die Räumlichkeiten des Freizeitladens an der Schule müssen für alle 10 bis 1-Jährigen des Stadtteils erreichbar sein und zwar während als auch nach der Schulzeit und am Wochenende und in den Ferien. Die Freiwilligkeit zur Teilnahme darf nicht beeinträchtigt werden; Schule darf nicht die schul- und sozialpädagogische Arbeit beherrschen; Die Hausleitung muss von beiden Partnern erfolgen.

Durch eine solche perspektivische Verortung des Freizeitladens an der Regelschule erhoffte man sich einige Vorteile:

  • die gemeinsame Gestaltung der Ganztagsschule
  • wechselseitige Nutzung der Räume
  • Kooperation von Schul- und Sozialpädagogen
  • Verzahnung von schulischem und nicht- schulischem Lernen
  • gemeinsame Bearbeitung von Beratungsfällen
  • die gemeinsame Gestaltung der Elternarbeit
  • die Steigerung der Leistungs- und Lerndifferenzierung bis hin zu einer Ausdehnung der Öffnungszeiten bis in die Abendstunden und am Wochenende
  • die Definition eines neuen Namens, da die Begriffe Schule als auch Jugendzentrum für das neue multiaktive Lern-, Versorgungs- und Bildungszentrum nicht mehr zutreffen.

Wie sah denn aber die bisherige Arbeit sowie die Kooperation des Freizeitladens mit der Regelschule aus?

Der Freizeitladen ist ein offenes Angebot für die Kernaltersgruppe der 9 bis 14-Jährigen, mit Sport-, Gruppen-, Rückzugs- und Beratungsraum, Werkstatt, Bauplatz, Lagerfeuerstelle und Lehmofen, der täglich am Nachmittag geöffnet ist. In den Ferien stand ein regelmäßiges attraktives Ganztagsangebot zur Verfügung. Für die Eltern gibt es Angebote im Rahmen der Elternschule mit Kleinkindbetreuung. In der Regelschule finden Kompetenztrainings für die Klassen fünf bis sieben statt, sowie erlebnispädagogische Projekte, verschiedene Arbeitsgemeinschaften und die jährliche Gedenkstättenfahrt.

Hier ist eine Bildungslandschaft aus der gemeinsamen Verantwortung der Akteure für die Heranwachsenden entstanden, die dem ambulant-flexiblen Ansatz des „Lindnerkonzeptes“ entspricht. Gleichzeitig wurden im Freizeitladen in den letzten Jahren die konzeptionellen Bausteine verstärkt der Zielgruppe der 10 bis 14-Jährigen angepasst. Eine Kooperation mit Grundschule war sowohl von Seiten des Jugendamtes (als „Auftraggeber“ des Freizeitladens) als auch von Seiten der Grundschule nie gewünscht gewesen. Im Gegenteil: Der Auftrag des Jugendamtes an den Freizeitladen lautete, Grundschulkinder sollen den Hort und nicht das offene Angebot der Jugendhilfe nutzen.

Und genau hier wird der Freizeitladen und damit auch die Regelschule zum Verlierer dieses seit Jahren währenden Prozesses im Rahmen von Bildungslandschaften.

Beitrag:

Markus Förster

Ehemaliger Projektleiter Freizeitladen Winzerla

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