Jena Winzerla. Über die Nahverkehrsanbindung Winzerlas muss sich wohl niemand beschweren. Zuverlässig wird der Stadtteil von Bus und Straßenbahn bedient. Aber wussten Sie, dass Winzerla bereits seit 112 Jahren von der Straßenbahn angefahren wird? Die erste Linie aus dem Zentrum in Richtung Süden wurde am 6. April 1901 eingeweiht. Die „Grüne Linie“ – damals wurden die Linien mit Farben unterschieden – endete zunächst an der „Schubertsburg“, der heutigen Haltestelle Mühlenstraße. Dahinter erstreckten sich Wiesen und Felder, Winzerla war zu dieser Zeit noch nicht eingemeindet. Eine Erlaubnis, die Linie zu verlängern, wurde vom „Großherzoglichen Staatsministerium“ verweigert. Grund waren die ungenügende Chausseebreite der Rudolstädter Straße und das Verbot, die alte Burgauer Brücke zu befahren.
Erst im Jahr 1908 fand eine überarbeitete Trassenführung Gnade bei den zuständigen Behörden. Die Trasse führte auf eigenem Bahnkörper westlich der Rothensteiner Chaussee nach Süden, das entspricht dem Verlauf der heutigen Ahornstraße um das Wohngebiet Ringwiese. In Höhe der heutigen Ampelkreuzung Rudolstädter Straße/Lobedaer Straße wechselte die Trasse die Straßenseite, um vor den ersten Häusern Winzerlas nach Osten abzubiegen. Eingeweiht wurde diese Linie am 30. Juni 1908, rechtzeitig zu Beginn der Feierlichkeiten zum 350. Gründungsjubiläum der Universität Jena.
Im Jahr 1934 wurden die Gleise durch die neue Ringwiesen-Siedlung gelegt. Die Bahn fuhr nun – wie heute – entlang der Rudolstädter Straße. In den 1950er und 60er Jahren stieg das Verkehrsaufkommen sprunghaft an. Wegen des neuen Heizkraftwerks wurde die Verbindung zwischen Winzerla und Lobeda eingestellt. Am 23. Juni 1969 ging eine neue Wendestelle mit Abstellgleis in Winzerla in Betrieb. Später kam noch eine Ausweichstelle am Kerbelweg hinzu – so war ein 7,7-Minuten-Takt im Berufsverkehr möglich. Zwischen 1984 und ´87 erfolgte zwischen Felsenkeller und Wendeschleife Winzerla der zweigleisige Ausbau. Heute erreicht man von Winzerla aus mit der Linie 2 das Stadtzentrum in elf Minuten, mit der 3 den Bahnhof Göschwitz in neun und Lobeda-Ost in 20 Minuten.
PS: Für diesen Beitrag befragten wir den Straßenbahn-Kenner Konrad Spath aus Jena. Die Informationen im Text beruhen auf seinen Kenntnissen, das Foto ist aus Spaths Archiv. Wir sagen herzlich Danke!