Blick über den Tellerrand – „Stadtgärtnern“ in Berlin

Blick über den Tellerrand – „Stadtgärtnern“ in Berlin

Jena Winzerla. Ein Exkursionsbericht von Markus Meß. Von Jena ausgehend, wo sich seit einigen Jahren zaghaft verschiedene urbane Garteninitiativen entwickelten, ist der Blick in die Hauptstadt Berlin ein absolut lohnenswerter. Die Heinrich-Böll-Stiftung bot hierzu eine zweitägige Exkursion unter dem Titel „Urbanes Gärtnern im Kiez“ an. Dabei wurden mit dem „Allmende Kontor“ auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhofer Feld und dem „Prinzessinnengarten“ zwei der berühmtesten als Anschauungsorte gewählt. In Berlin gibt es über 100 solcher Initiativen.

Das „Allmende Kontor“

Der Gemeinschaftsgarten „Allmende Kontor“ umfasst ein Areal, das auf dem riesigen Flugfeld relativ klein wirkt. Auf einer Fläche von 5000 qm sind circa 600 Gärtner*innen aktiv. Zum Vergleich der Stadtteilgarten Winzerla hat eine Fläche von 1660 qm und 15 Aktive. Der Boden auf dem Flugfeld ist mit noch nicht exakt ermittelten Schadstoffen belastet und es darf dort nur in Hochbeeten gegärtnert werden. Dies ist der Grund für die vielfältig, individuell und bunt gestalteten Hochbeete auf dem Gelände. Einige haben gleich eine eigen gezimmerte Bank oder gar eine Sonnenliege an das Hochbeet angebaut. Diese Beete sind in der Regel zwei Quadratmeter pro Besitzer*in groß. Auf den ersten Blick wirkt dieses Gesamtarrangement an Beetflächen auf den Betrachter ein wenig chaotisch. Doch wenn man sich darauf einlässt, dann hat die Idee einen ganz eigenen Charme. Pro Hochbeet zahlt man als Nutzer*in 35 Euro Jahresbeitrag und kann an festgelegten Gießtagen Brauchwasser aus der Anlage der ehemaligen Flughafenfeuerwehr beziehen. Was man als Besucher gut wahrnehmen konnte war, dass auf der Fläche immer was los ist und irgendwo gegärtnert, gebaut oder entspannt wird. Mittlerweile hat sich das Allmende-Kontor auch zu einem Anziehungspunkt für Touristen entwickelt und man sieht viele Menschen, die über das Gelände laufen und neugierig auf das Geschehen blicken. Diese Form der permanenten Öffentlichkeit ist sicherlich eine Besonderheit die man mögen muss, wenn man dort aktiv ist. Auch geht ein Teil der meist überschaubaren Ernte an Leute verloren, die die Arbeit anderer nicht würdigen können, doch darauf sind dort alle bereits vorher eingestellt. Die Organisation und die Absprachen werden mittlerweile über einen extra für das Allmende-Kontor gegründeten Verein organisiert. Wie eine der Aktiven erklärte, gehört sehr viel Herzblut und Engagement dazu, die vielen Aufgaben zu bewältigen und sie geht beispielsweise nur halbtags arbeiten, um sich im Verein einbringen zu können. Unter einem großen, stabilen Sonnensegel befindet sich der „Dorfplatz“, wo sich die Aktiven regelmäßig treffen, um zu planen, Touristengruppen herumzuführen oder Veranstaltungen durchzuführen.

Der (mobile) Prinzessinnengarten

Der „Prinzessinnengarten“ ist eine weitere Initiative mit einem anderen Rahmen. Es gibt mittlerweile eine gemeinnützige GmbH, die dort die Geschicke leitet. Hier sind 12 Menschen in verschiedenen Arbeitsverhältnissen (auch Bundesfreiwilligendienstleistende) involviert. Hinzu kommen viele Freiwillige, die im Prinzessinnengarten mitwirken. Auch hier ist die Fläche eine ehemalige Brache, auf der vor 1945 ein jüdisches Kaufhaus stand, welches im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Nach dem Krieg wurden die Kelleranlagen mit großen Mengen Schutt ausgefüllt und Erde oben aufgeschüttet. Der Boden des Prinzessinnengartens ist aufgrund dieser Entstehung mit Blei kontaminiert. Sämtliche zum Verzehr bestimmten Pflanzen wachsen dort in recycelten Bäckerkisten, Europaletten oder Reissäcken. Da die Fläche der Stadt Berlin gehört und diese durchaus an Investoren veräußert werden könnte, ist der Garten durch Bäckerkisten und Reissäcke „mobil“ und könnte im Fall eines Verkaufs umziehen. Die auf der Fläche natürlich gewachsenen Robinien dienen als Schattenspender, die insbesondere den Touristen zu Gute kommen und die die dort betriebene Gastronomie nutzen. Umgeben von Großstadtlärm ist es im Prinzessinnengarten verhältnismäßig ruhig. Neben den gärtnerischen Aspekten gibt es auch verschiedene Ansätze „Wohlstandsmüll“ zu recyceln, entsprechend gibt es Reparaturwerkstätten für Fahrräder oder Küchengeräte. Außerdem wurde erklärt, dass jährlich etwa 60000 Touristen den Garten als Ausflugsziel nutzen. Diese andere Form des Gärtnerns auf einer eigentlichen Brachfläche unter den genannten Rahmenbedingungen ist einen Besuch wert.

Beide der besuchten Gärten haben ein Grundproblem gemeinsam: Es ist eine Nutzung auf unbestimmte Zeit und damit lässt sich schlecht langfristig planen. Dieses Grundproblem besteht für die „Essbare Stadt Jena“ und den Stadtteilgarten Winzerla grundsätzlich auch, da die Flächen eigentlich der Stadt gehören. Insgesamt ist für Garteninteressierte, die den Gedanken städtisches bzw. urbanes Gärtnern sympathisch finden, der Weg nach Berlin lohnenswert, um sich inspirieren zu lassen. Die zu Fotos wurden dankenswerterweise von Sabine Hirschleber, Fachdienst Stadtentwicklung der Stadt Jena, zur Verfügung gestellt.

Bilder vom Allmende Kontor und Prinzessinnengarten

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