Gehe zum Inhalt

Was war in Winzerla ursprünglich geplant?

Jena Winzerla. Erzählcafé mit Klaus und Doris
Jena Winzerla. Erzählcafé mit Klaus und Doris

Jena Winzerla. Am 4. Mai veranstalteten wir unser erstes online-Erzählcafé. Thema war der erste städteplanerische Entwurf von 1968 für Winzerla. Darüber sprachen wir mit Doris Weilandt und Dr. Klaus Rasche. Als Klaus Rasche von dem Buchvorhaben zu 50 Jahre Winzerla von Doris Weilandt hörte, erinnerte er sich an seine Studentenzeit an der TU Dresden. Konkret erinnert er sich an einen „sehr interessanten Artikel“, in dem ein Entwurf für Winzerla vorgestellt wurde. Nach dem Lesen verschwand er dann in irgendeinem Hefter. Für ihn war das der Ausgangspunkt, sich mit Winzerla erneut zu beschäftigen. 1968 war eine aufregende Zeit, für ihn persönlich sowie weltgeschichtlich; im „Westen“ gab es die Studentenproteste und im „Osten“ den Prager Frühling. Eine Zeitqualität, geprägt von einer politischen und sozialen Aufbruchstimmung und einem Gestaltungswillen, die „Welt“ zu verändern. Und diese Stimmung herrschte auch im Städtebau. Klaus Rasche zieht hier eine Parallele zur Architektur und zum Städtebau. Klaus Rasche studierte damals bei Janos Brenner, demjenigen, der den ersten Entwurf für Winzerla vorlegte.

Bebauungsvorschlag 1968
Bebauungsvorschlag 1968

„Es war eine interessante Aufgabe für uns, das zu verfolgen, weil er offensichtlich hier großzügig rangehen konnte und sollte, 30 000 Menschen sollten untergebracht werden in diesem Gebiet und es schien, als könnte es eine hervorragende Situation werden, mit der Verknüpfung von Landschaft und Stadt, zur Innenstadt – und Winzerla war auch hier ein Teil der neuen großen Verkehrslösung, der berühmten Einschienenbahn für Jena, das den Entwurf sehr stark geprägt hat, mit einem Zentrum … Man dachte, es ist zukunftsfähig, man war zukunftsgläubig und dachte, es wird alles immer besser… Es war eine interessante Zeit für Architekten, Zukunft denken zu können.“ Dass daraus nichts wurde hat mehrere (internationale) Gründe: Erich Honecker betrat die Bühne als neues DDR-Staatsoberhaupt (1971), der Club of Rome veröffentlicht seinen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) und es kam zur ersten „Ölkrise“ (1973). Vom ursprünglichen Entwurf ist nichts übriggeblieben, resümiert Klaus Rasche. Leider!

An dieser Stelle lässt sich generell die Frage stellen, warum ein Professor für Städtebau und sein Team der TU Dresden einen Entwurf für Winzerla vorgelegt haben! Dazu äußert sich Klaus Rasche auch und erwähnt in diesem Zusammenhang die Innenstadt. Janos Brenner und sein hochqualifiziertes Team gewannen ursprünglich den Wettbewerb zur Bebauung der Innenstadt, also wo heute der Tower steht, inklusive des Eichplatzes. Doch der Entwurf wurde nicht beachtet, da der DDR-Stararchitekt Hermann Henselmann im Gespräch für die Gestaltung war und ihm schließlich der Vorrang gegeben wurde. Um diese Situation zu kompensieren, bot man vermutlich Brenner und seinem Team an, einen Entwurf für Winzerla zu erarbeiten.

Bevor es zur Absetzung Ulbrichts kam, hatte er bei seinem Besuch in Jena bezüglich des städtebaulichen Entwurfes für Lobeda noch interveniert. Er monierte die Bauweise. In welcher Form es Ulbricht gesagt hat, ist nicht bekannt. Klaus Rasche beschreibt Ulbrichts Worte so: „Ihr müsst mal was Größeres machen und nicht solche langweiligen Häuser dort hinstellen”, und dann wurden dort Veränderungen vorgenommen und es waren fünf bzw. sechsgeschossige Häuser übrig. Und dann stand die Frage im Raum, wohin mit diesen Fünfgeschossern? … Sie wurden schließlich in Winzerla errichtet. Die Anfänge waren damit in Winzerla gesetzt. Nach der „Abladung der Fünfgeschosser“ erfolgte erstmal eine Pause. Und dann entwickelte sich in den kommenden fünf bzw. sechs Jahren, eine komplexere Standortlösung. Klaus Rasche entdeckte bei seinen Recherchen eine Studie vom Weiterbildungsinstitut der Hochschule für Bauwesen und Architektur in Weimar – das Institut war eine zentrale Einrichtung des Ministeriums und wie Klaus Rasche sagt, „wurden dahin Stadtarchitekten eingeladen und machten dort ihre Praxisübungen“. In diesem Zusammenhang entstand der erste komplexe Entwurf für Winzerla (1979). Im Winzerla-Buch finden Sie die verschiedenen Planungsentwürfe, so auch die Planung von 1979, die erste große zusammenfassende Lösung für das Gebiet. Klaus Rasche erwähnt noch, dass „der obere Rand zur Landschaft mit Einfamilienhäusern abgerundet werden sollte, aber die Errichtung von Einfamilienhäusern war zu diesem Zeitpunkt keine zentrale Aufgabe im Bauwesen.“

Übersicht alle Pläne
Übersicht alle Pläne

Am Ende kamen wir noch ins Gespräch mit zugeschalteten Zuhörern. Unter anderem fragte Bertram Polten nach dem Verbleib des Modells für Winzerla, das er selbst im Zeishochhaus 1968 gesehen hatte. Wir werden der Sache nachgehen. So viel zu unserem Streifzug in die Anfänge des Neubaugebietes. Am online-Erzählcafé nahmen ca. 25 Gäste teil und verfolgten am Bildschirm das Gespräch und die Diskussion. Aus unserer Sicht hat die technische Realisierung geklappt und wir freuen uns auf die nächste Veranstaltung. Soweit sich die Bedingungen nicht ändern, weiterhin online. Voraussichtlich geht es weiter mit dem Verkehrsexperten Konrad Spath, der über die Einschienenbahn und die Straßenbahnanbindung Winzerlas berichten wird.

zurück zur Übersicht
Logo: Kofinanziert von der Europäischen Union Logo: Städtebauförderung von Bund, Ländern und Gemeinden

ThINKA wird durch den Freistaat Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus gefördert sowie von der Stadt Jena kofinanziert. Die Arbeit des Stadtteilbüros wird durch Städtebaufördermittel unterstützt.