„Ich höre ein Ungeheuer atmen“
Gedenkveranstaltung am 9. November am Enver-Şimşek-Platz
Am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, wird traditionell der ermordeten Juden, Sinti und Roma und weiterer Gewaltopfer gedacht. In Jena hat sich die Aktion „Klang der Stolpersteine“ etabliert und dabei wird immer an den Enver-Şimşek-Platz eingeladen. Etwa 40 Menschen waren in diesem Jahr dem Aufruf gefolgt. Die Gedenkrede hielt diesmal Dr. Gertraude Remer. Die Historikerin schlug den Bogen von der Befreiung vom Hitlerfaschismus, vom Schwur der überlebenden Häftlinge aus Zuchthäusern und Konzentrationslagern, deren lautstarkes Credo hieß „Nie wieder!“ bis hin zu den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen. Sie erinnerte an die Mordtaten des sogenannten NSU, dessen erstes Mordopfer Enver Şimşek war. Das Schicksal Enver Şimşeks zeige, dass „Nie wieder!“ keineswegs ein Zauberwort gegen den braunen Spuk war. Gertraude Remer schloss mit einem Zitat von Elfriede Jelinek: „Ich höre ein Ungeheuer atmen. Ich höre, wie der Atem der Demokratie schwächer wird. Ich bin froh, dass sie alle hier sind und ihr neues Leben einblasen wollen. Ich hoffe, es ist nicht zu spät.“
Während der Gedenkveranstaltung wurden zehn weiße Rosen niedergelegt, symbolisches Gedenken an die zehn Mordopfer des „NSU“. Musikalisch umrahmt von der Gruppe „Samba de Novembro“ klang der Abend aus. Zuletzt wurde gemeinsam das Lied „Dos Kelbl“ angestimmt, eine alte jiddische Weise. Ziel ist es, an allen Stolperstein-Gedenkorten gleichzeitig um 18.15 Uhr dieses Lied und den Refrain „Donaj donaj donaj“ zu singen.