„Der Krieg machte die Pläne zunicht“
Die Firma von Fritz Stiebritz bestand bis Anfang der 1960er Jahre
Wir hatten zuletzt in der Juli/August-Ausgabe der Stadtteilzeitung über die Firma Fritz Stiebritz berichtet. Hier nun die Fortsetzung.
Nach den bescheidenen Anfängen mit einem blinden Pferd folgte der Kauf eines ersten Lkw Studebaker, noch vollgummibereift. Danach ging es stetig bergauf, so dass Fritz Stiebritz in den 1930er Jahren bereits fünf Lkw MAN mit Anhänger im Fuhrpark hatte. Ausweis des wirtschaftlichen Erfolgs war der exklusive Liefervertrag mit „Dyckerhoff & Widmann“ aus dem Jahr 1929. In den besten Zeiten der Firma Stiebritz wurde in Schichten gearbeitet, erinnert sich die Enkelin des Firmengründers, Ingeborg Weirich. Ihre Oma versorgte die Fahrer in der unteren Etage des Hauses. Die frühere Bierstube sei deshalb „Café Paula“ genannt worden.
Ingeborg Weirich erzählt, dass gegenüber vom Grundstück am Friedensweg eine Großgarage für die Lastkraftwagen gebaut werden sollte. Doch der Krieg machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Ingeborg Weirich sagt, alle fünf Lkw seien samt der Fahrer zur Wehrmacht abgestellt worden, ohne Entschädigung. Mit dem Ende des Krieges drohte Fritz Stiebritz das Ende des Unternehmens: Mit Schreiben vom 30. Oktober 1945 wurde die Firma unter sowjetische Sequestur gestellt. Unterschrieben war die Anordnung von Gardegeneralmajor Iwan Kolesnitschenko. Der Offizier war seit Juli 1945 als Verwaltungschef in Thüringen eingesetzt. „Mein Großvater war mehrmals bei Kolesnitschenko in Weimar, um seine Firma zurückzuerlangen“, erinnert sich Ingeborg Weirich. Letztlich mit Erfolg: Per 30. April 1948 erhielt Fritz Stiebritz sein Unternehmen zurück. Zu jener Zeit sei nur noch ein Lkw H6 übrig gewesen, sagt Ingeborg Weirich. Dieses Fahrzeug wurde von Stiebritz‘ Tochter Ilse gefahren – der Mutter von Ingeborg Weirich. Eingesetzt wurde das Fahrzeug u. a. beim nationalen Aufbauwerk. Außerdem wurde die Baggerei in Maua weiterbetrieben.
Neben Kolesnitschenko spielte noch ein weiterer hoher sowjetischer Funktionär eine Rolle bei Familie Stiebritz: In die Villa am Friedensweg zog der sowjetische Direktor der Göschwitzer Zementfabrik ein. Dieser Direktor war dem deutschen Betriebsleiter zur Seite gestellt worden; ein damals übliches Verfahren. Mit Boris, dem Sohn des Direktors, habe sie oft gespielt, erinnert sich Ingeborg Weirich. Es habe insgesamt ein respektvolles Miteinander gegeben, beinahe freundschaftlich. Später sei der Direktor mit seiner Familie in die Nähe des Kritzegrabens gezogen, dort sei die sowjetische Kommandantur gewesen. Das Unternehmen von Fritz Stiebritz bestand noch bis Anfang der 1960er Jahre. Die Zapfsäule im Friedensweg ist eines der letzten Zeugnisse dieses Kapitels der Wirtschaftsgeschichte Winzerlas.