34 Jahre in Winzerla zu Hause
Jena Winzerla. „Große Freude“ empfand Sieglinde Häußler bei der Schlüsselübergabe am 19. Dezember 1983. Voller Erwartung bezog sie die 2-Raum-Wohnung in der heutigen Anna-Siemsen-Straße 5, damals „In der Röte“. Es war neben der Bauarbeiterunterkunft in der heutigen Max-Steenbeck-Straße der erste Block im neuen Winzerla, in dem Wohnungen übergeben wurden. Sie erinnert sich noch sehr lebhaft, an die „weite unbebaute und malerische Flur, nur Wiesen, Felder voll Futterklee und am Horizont der Wald“. Anderthalb Jahre später ging die Bebauung des Hanges mit rasantem Tempo voran; es wurde Tag und Nacht gebaut. Zusätzlich befand sich hinter dem Haus ein Baustofflagerplatz, der nachts taghell erleuchtet war. „Kräne quietschten, volle LKW brummten, leere LKW schepperten durch die Nacht, und das fünf Jahre lang“, erinnert sie sich.
Die Eingänge mit den Nummern 3,5,7 und 9 wurden hauptsächlich von Mitarbeitern der Friedrich-Schiller-Universität bezogen: „Von der Köchin, dem pensionierten Hausmeister-Ehepaar, über Angestellte bis zu Schwestern, Ärztinnen und Ärzten. Es war ein gutes Miteinander in unserem Aufgang.“ Es war üblich, dass Betriebe ein Wohnungskontingent für ihre Mitarbeiter bekamen. So auch Frau Häußler, die ihre Wohnung über die Universität erhielt. Der Weg zur Arbeit gestaltete sich stets abenteuerlich, es galt für sie riesige Schlammpfützen durch das Baugebiet zu durchqueren. Der Weg war nicht die einzige Herausforderung. Kurz nach 6 Uhr verließ sie mit ihrer kleinen Tochter die Wohnung Richtung Kindergarten in der Ringwiese. Von da ging es dann weiter zu ihrer Arbeitsstelle. Nach der Arbeit stand sie nicht selten vor leeren Einkaufsregalen: „Das Angebot kurz vor 18 Uhr, gähnende Leere“. Die einzige Einkaufsmöglichkeit damals war ein „Tante-Emma-Laden“, wie sie ihn bezeichnet, in der Ringwiese. Später wurde behelfsmäßig eine Wohnung in der Nummer 23 eingerichtet. „Es war so beengt, dass immer nur eine kleine Anzahl Menschen den Raum betreten konnten. Und diese sich natürlich beeilen mussten, da auch die anderen kurz vor 18 Uhr einkaufen wollten.“, beschreibt Frau Häußler die damaligen Umstände.
Frau Häußler weiß noch Vieles zu berichten wie zum Beispiel über die zwei „leeren“ Wohnungen im 6. Stock (Nutzer war „eine kleine Gruppe unauffälliger Herren in guten Anzügen“), die Luftverhältnisse oder über die „sozialen Funktionen“ wie sie in den Hauseingängen üblich waren, dass jemand die Hausgemeinschaftsleitung inne hatte oder das Hausbuch führte.
Als Stadtteilbüro wollen wir über diese Zeit mehr erfahren. Zum einen ist eine Ausstellung über „Winzerla-Nord“ geplant, zum anderen wollen wir eine Chronik über den gesamten Stadtteil Winzerla schreiben, in Anlehnung an die bereits bestehende von 2009. Wir als Stadtteilbüro würden uns über ihre Geschichten, Fotos und andere Zeitdokumente sehr freuen.